Liebe Wohlener:innen
Vor kurzem war ich bei Freunden in Bern eingeladen. Nach dem Essen sind wir durch das Quartier spaziert und haben auf dem Trottoir einen älteren Herrn gekreuzt. Ich habe ihn kurz angeschaut, einen guten Abend gewünscht und bin weitergegangen.
Es hat einen Moment gedauert, bis ich bemerkt habe, dass die Situation meine Kollegen unheimlich amüsiert hat. Man sei hier nicht im Dorf, erklärten sie mir.
Man kann darüber lachen, aber die Situation ist nicht trivial: Es macht etwas mit uns, wenn wir gesehen, bemerkt, angeschaut werden – und wenn es nicht passiert. Es ist einer der zentralen Gründe, warum mir das Leben im Dorf so wichtig ist. Natürlich liebe ich auch die Stille und die Nähe an der Natur, an den Jahreszeiten. Aber noch wichtiger ist, dass man angeschaut und gesehen wird.
Ironischerweise könnte man diesen Aspekt des Dorflebens einfacher in der Stadt umsetzen als die Natur oder die Stille. Dass es trotzdem nicht geschieht, ist wohl einer der zentralen Gründe, warum Einsamkeit in der Stadt ein noch viel grösseres Problem ist als bei uns. Sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen entsteht nicht nur durch Einladungen zum Znacht und gemeinsame Ferien. Es beginnt ganz banal damit, dass mich jemand auf der Strasse anschaut und einen guten Abend wünscht.
Martin Beyeler, Apotheker und Geschäftsleiter Apotheke Unitobler